Arbeiten mit Matthias Oden ist wie Bahn fahren in der Schweiz: Es geht über Berge und durch Täler, aber unterm Sitz liegt kein Müll, die Heizung funktioniert, und man kommt pünktlich an. Wir lernten uns 2014 kennen, als er stellvertretender Chefredakteur der W&V im Süddeutschen Verlag und damit auch mein Vorgesetzter wurde. Ich kam gut mit ihm klar. Matthias ließ mich machen, war aber immer ansprechbar, wenn es ein Problem gab, und sorgte für eine Lösung. Als Führungskraft ist er kein Konsens-Typ, sondern einer, der klare Ansagen macht. Ein Ja ist ein Ja, und ein Nein ist ein Nein. Das klingt unmodern, aber es hilft enorm.
Matthias kümmerte sich am Anfang vor allem um die Print-Ausgabe. Er hatte den Auftrag, das gedruckte Magazin besser und attraktiver zu machen, und das tat er. Er forderte höchste Qualität in Text und Gestaltung und machte keine Gefangenen. Seinen Text-Styleguide ließ er sogar in den Toiletten aufhängen, in jeder einzelnen Kabine.
Als Journalist konnte man viel von ihm lernen. Es gab nur ein Problem: Er führte den falschen Auftrag aus. Die Leser brauchten kein wöchentliches Print-Magazin in Lead-Award-Qualität; sie wollten einfach nur prägnant über ihre Branche informiert werden. Darum sank die Auflage weiter. Die spätere Kurskorrektur in Richtung Digitalisierung hat Matthias nicht mehr erlebt; er verließ W&V 2016 und unser Kontakt brach ab.
Jetzt ist Matthias Oden wieder da. Er will nicht nur das defizitäre Online-Portal Meedia retten, sondern auch noch ein gedrucktes Wochenmagazin auf den Markt bringen. Das wirkt wie ein Polo-Turnier auf der Autobahn und hat mich so neugierig gemacht, dass ich ihn um ein Interview gebeten habe. Hier ist das Ergebnis.
Matthias, du hast dich vor über 3 Jahren aus der Chefredaktion von W&V verabschiedet und bist jetzt als Chef von Meedia wieder zurück in der Fachmedien-Szene. Was hast du in der Zwischenzeit gemacht?
Ich war ein halbes Jahr reisen, danach habe ich bei C3 gearbeitet, also Content Marketing gemacht und Kommunikationsberatung. Ich habe außerdem geheiratet, bin Vater geworden und habe zwei Romane veröffentlicht; der dritte erscheint diesen Herbst.
Was hast du in dieser Zeit gelernt?
Zeitmanagement? Im Ernst: Es war extrem lehrreich, einmal die Perspektive zu tauschen: Als Journalist bekommt man ja nur selten die Gelegenheit, das zu tun, worüber man schreibt. Einmal selbst im Marketing zu arbeiten und direkt mitzubekommen, wie Agenturen und Werbungtreibende ticken, war daher Gold wert. Und wenn du mich nach Unterschieden fragst: Medien sind im Marketing Mittel zum Zweck, während sie im Journalismus immer noch allzu oft Selbstzweck sind. Außerdem arbeitet man nutzerorientierter und ist viel KPI-getriebener unterwegs als so manches Medienhaus. Als Journalist saß ich einmal mit zwei Kollegen vier Stunden an einer einzigen Zeile — diesen Luxus hast du im Marketing nicht: Kreativität wird immer sofort gegen Zeit und damit Geld gegengerechnet. Das ist nicht immer angenehm, aber es zwingt zu Effizienz.
Peter Turi schreibt, dass ihr ein wöchentliches Print-Magazin plant. Dann würdest du 2020 da anfangen, wo du 2016 aufgehört hast. Warum? Die Print-Auflagen der Konkurrenz gehen seit vielen Jahr nur noch abwärts.
Peter Turi schreibt, was er in unserem Jahrbuch gelesen hat. Die Frage aber ist doch viel eher: Warum denn nicht? Dass wir im Jahr 2020 ein gedrucktes Wochenmagazin auf den Markt bringen, ist ohne Frage ambitioniert. Und genau darauf kommt es an: Wir haben in der Vergangenheit doch eher zu wenig Ambition als zu viel gesehen. Wenn man in Print so schnell drehende Branchen begleiten möchte wie die, die wir begleiten werden, dann geht das nur im Wochentakt. Das ist anstrengend und aufwändig, ermöglicht aber, nah dran zu bleiben. Das ist unser Ziel. Und was uns der Markt bislang spiegelt, ist: Es gibt Platz und Bedarf für einen zweiten Wochentitel.
Nach welchen Kriterien stellst du dein Team zusammen?
Glücklicherweise musste ich ja nicht bei Null anfangen: Meedia hatte auch vorher schon ein hervorragendes Team, das musste nur vergrößert werden. Wichtig war mir dabei, den richtigen Mix aus seniorigen und juniorigen Redakteuren zu bekommen. Wir brauchen Erfahrung, aber wir brauchen auch junge Leute, die eben noch keine x Jahre Branchenerfahrung besitzen, die Dinge ganz anders angehen und sich unbedingt beweisen wollen. Und ich würde sagen: Unsere Mannschaft bildet beides ganz gut ab.
Wer finanziert das?
Auf Dauer muss Meedia vom Markt getragen werden, also von Anzeigenkunden und den Lesern. Anders geht es nicht, wir sind kein philanthropisches Projekt. Die derzeitigen Investitionen werden von drei Banken finanziert, die haben uns gut ausgestattet. In dieser Hinsicht haben wir keinen Druck: Wir wollen erst einmal wachsen. Und wir haben mit Timo Busch einen Verleger im Hintergrund, der ein unternehmerisches Big Picture im Kopf hat; das ist niemand, der schnell abcashen will. Die Investitionen in Meedia sind Langfristinvestitionen.
Marketing, Agenturen, Medien: Der Gemischtwarenladen einer imaginären „Kommunikationsbranche“ ist schon den klassischen Fachmedien nicht gut bekommen. Eigentlich geht der Trend eher zu Nische und Nutzwert. Warum stellt sich Meedia trotzdem breiter auf als jemals zuvor?
Ich gebe dir recht: „die Kommunikationsbranche“ gibt es nicht. Der Begriff ist ein Hilfskonstrukt, das viele, teils sehr unterschiedliche, Branchen abdecken will — eben weil sie am Ende doch irgendwie zusammenhängen. Aber auf uns bezogen: Wir werden bei Meedia mit mehr Leuten mehr Branchen covern als zuvor und damit auch mehr Output haben als früher. Wir dünnen also unsere Kräfte nicht aus, im Gegenteil. Bei uns wird es zwei große Ressorts geben, Marken und Medien, und in beiden werden wir in die Tiefe gehen. Eine breite Aufstellung und Nutzwert schließen sich nicht aus.
Bei einem User-Experience-Projekt habe ich im vergangenen Jahr einen ziemlich guten Satz gehört: „Vergesst das ganze Innovationsgequatsche und konzentriert euch darauf, was eure User für Probleme haben könnten“. Welche Probleme löst Meedia für seine Leser?
Wir bieten Kontext in einem Umfeld, das heute mehr denn je welchen braucht. Das heißt also: Analysen, Daten, Hintergründe. Und wir gehen operativ nah ran: Die Kluft zwischen dem, was technisch machbar ist, und dem, was wirklich umgesetzt wird, ist größer als jemals zuvor. Wir wollen die Macher vorstellen, die in dieser Situation tatsächlich etwas auf die Beine stellen — und zeigen, was man sich von ihnen abgucken kann.
Vielen Dank und viel Glück, Matthias.
Disclaimer: Der Meedia-Konkurrent W&V gehört zu meinen Kunden.