Rainer Brüderle im Photoshop-Modus. Foto: FDP.
Am Tag eins nach der FDP zitiert Spiegel Online einen abgewählten Bundestagsabgeordneten:
„Woher kommt dieser unglaubliche Hass, diese Häme auf die FDP?“
Man kann das nicht rechtfertigen, aber vielleicht erklären.
Erstens: Die Glaubwürdigkeit der Marke FDP tendiert gegen Null und einer der Gründe dafür hat sich in über 30 Jahren verfestigt. Ich meine damit den Koalitionsbruch von 1982 als Ausgangspunkt, die so genannte „Bonner Wende“, den Sturz von Helmut Schmidt. Die Verachtung, die der FDP heute entgegenschlägt, entstand in diesem Herbst. Sicher brachte die FDP damals wichtige Argumente für den Wechsel zur CDU vor. Aber diese Argumente konnten Millionen Deutsche nicht nachvollziehen und schon gar nicht akzeptieren; für sie war es „Verrat“ am sozialliberalen Bündnis und natürlich am Kanzler selbst. Ich durfte damals zwar noch nicht wählen, aber ich kann mich an die damalige Stimmung und den „Schmidtleidseffekt“ bei den folgenden Landtagswahlen noch gut erinnern. Diese „Wende“ hat sich in das kollektive Gedächtnis von zwei linksliberalen Generationen eingebrannt. Die leeren „Mehr-Netto“-Versprechungen von 2009 haben der FDP den Rest gegeben. Sie hat sich damit auch bei weiten Teilen ihrer wirtschaftsorientierten Wählerschaft unmöglich gemacht.
Zweitens: Das Personal. Jede Partei hat ihre peinlichen Protagonisten, Skandalnudeln und Knallchargen. Die Union kann zum Beispiel Karl-Theodor zu Guttenberg und Christian Wulff aufbieten. Trotzdem bleibt der Fremdschäm-Faktor der „Liberalen“ unerreicht (die Anführungszeichen erkläre ich gleich). Keine andere im Bundestag vertretene Partei hat es bis jetzt fertiggebracht, einen rechtskräftig verurteilten Steuerkriminellen zum Vorsitzenden zu wählen und Menschen wie Jürgen Möllemann groß werden zu lassen. Die FDP ist eine Partei, der nichts und niemand peinlich zu sein scheint. Das erklärt auch die Kanzlerkandidatur von Guido Westerwelle 2002 und den Winzerfest-Agitator Rainer Brüderle, dessen Vorgänger als FDP-Landesvorsitzender in Rheinland-Pfalz übrigens einen Juwelenladen überfiel, nachdem er aus dem Landtag geflogen war. (Auch das ist eine Geschichte, die vielleicht nur einem FDP-Spitzenpolitiker passieren kann). Aber jetzt kommt ja Christian Lindner.
Drittens: Das Programm und damit das Produktversprechen. Die FDP vermarktet sich als Deutschlands parteigewordenen Liberalismus. Was ungefähr so realistisch ist wie das wachspuppenhafte Foto von Rainer Brüderle über diesem Artikel. Tatsächlich ist die FDP in ihrer heutigen Form eine zutiefst konservative Partei. Im Grunde genommen geht es ihr nämlich nicht um die liberalen Großthemen Freiheit und Fortschritt, sondern um Besitzstandswahrung für ihre Klientel. Das liberale Feld der FDP wäre eigentlich die digitale Welt. Aber als es um die Legalisierung des Online-Medikamentenhandels ging, stand sie auf Seiten der klassischen Apotheker und die Frage nach einem modernen Urheberrecht beantwortete sie mit dem Leistungsschutzrecht für Presseverlage. Man kann solche Standpunkte vertreten. Aber nicht unbedingt mit dem Etikett der Liberalität.
Man muss jedenfalls nicht auf dem Grab der FDP tanzen, um festzustellen: Diese Partei braucht ’s nicht. Verkneifen wir uns aber den inneren Autokorso. Das Missmanagement der FDP-Spitze kostet immerhin mehrere hundert Arbeitsplätze.
Deddi
dr.f.z.,
darf ich um ein wenig mehr journalistische Sorgfalt bei der Aufzählung dessen, wie oft und mit wem die FDP bei ihren Personalien ins Klo gegriffen hat, bitten?
Es betrifft die aktuelle Personalie des neuen Vorsitzenden in spe, Christian Lindner. Haben Sie da nicht was vergessen? Ganz richtig, jetzt wird es Ihnen gleich wieder einfallen…
http://www.spiegel.de/spiegel/print/d-70327137.html
Wobei, wenn ich recht überlege, ich meinen Hintern darauf verwetten würde, dass es sich um Fehler eines jungen unerfahrenen Visionärs, Christian Lindner, handelte, der liberal gradlinig geprägt, immer bestrebt war, sorgsam mit dem ihm vom Steuerzahler gepumpten Geld umzugehen, und wie von Eliten oftmals beansprucht, sich eine gewisse Nachlässigkeit leisten konnte, ohne sich hinterher umgangssprachlich als “Niete”, “New Economy Abzocker” oder gar “Pleitier” bezeichnen lassen zu müssen.
Ich glaube bis heute einfach nicht, dass man als halbintelligenter Dieb Anleger vor die Hunde gehen lässt, eine KfW rasiert und derartig viele Spuren hinterlässt, wie man sie findet, wenn man heute mal in Suchmaschinen nach Christian Lindner und Moomax und KfW-Kredit sucht. Einer wie er, der heute vielleicht sogar schon Ambitionen hegt, eines Tages ins Wirtschaftsministerium… nein, niemals, solche Trollvottel können die gelben Granden doch gar nicht sein.
P.S. Ein starker Beitrag von Ihnen.
frankzimmer
Deddi, die FDP-Anekdoten, an die ich mich als erinnere, kann ich gar nicht alle nachrecherchieren und aufschreiben. War nicht auch was mit Bangemann, Telefonica und einer Segelyacht in Danzig? Vielleicht verwechsle ich da aber auch was mit Moritz Hunzinger. Danke für den Link. Ja, Christian Lindner. Die Moomax-Nummer zeigt: Es ist sehr schwierig, Avatare zu vermarkten. Verrückt, dass die FDP es im letzten Wahlkampf trotzdem versucht hat.
Bertram Simon
Nicht zu vergessen: Silvana Koch-Mehrin, die wegen ihrer extremen Fehlzeiten, den anerkannten Dr. Titel und ihrer Kolumne in der Zeitschrift Praline traurige Berühmtheit erlangt hat.
Grenzdebil
Gehört der Kampf gegen die Vorratsdatenspeicherung, Netzsperren und Sonstiges jetzt plötzlich nicht mehr mit zu den Bürgerrechten? Finde schon, dass die FDP da ganz gut standgehalten hat. Okay, dass mit dem LSR war ein Griff in in Tonne, aber vielmehr fällt mir auf der Negativseite ehrlich gesagt nicht ein. Tatsächlich ist Schnarre doch mit Abstand die beste Justizministerin gewesen, die dieses Land jemals hatte. Ich darf gar nicht dran denken, wen wir da jetzt wohl wieder bekommen werden. :-(
Und die FDP hat sich im entscheidenden Moment immer geschlossen hinter ihre Ministerin gestellt, gerade auch als diese von der Union als „Sicherheitsrisiko“ diffamiert wurde. Vielmehr kann man von einer demokratischen Partei mit unterschiedlichen Flügeln wohl nicht erwarten.
Die FDP hat halt auch noch andere Themen und die schmecken gerade Linken traditionell nicht. Aber deshalb sollte man da wo Gemeinsamkeiten bestehen diese nicht zudecken. Ich glaube, Gerhart Baum hat mit dem, was er neulich sagte Recht: Die Parteien haben mehr gemein als sie zugeben.
frankzimmer
Ich glaube auch, dass Gerhard Baum Recht hat. Aber gerade darum irritiert doch das „Stimme der Freiheit“- und „Nur mit uns“-Gedröhne der FDP. Sie tut so, als würde es z.B. Wirtschaftsliberalismus nur bei ihr geben. Wenn das so wäre: Warum stehen dann so viele Unternehmer dem Wirtschaftsflügel der Union näher als der FDP?
Grenzdebil
Der ganze Wahlk(r)ampf der FDP war anmaßend und dumm. Er wurde zu Recht genüßlich zerpflückt. Allerdings fand ich diese „Liberté“-Kampange teilweise ganz lustig. Das geht aber wohl von Teilen der Basis aus und hat nicht mit der offiziellen Partei zu tun.
p_at
Eine sehr gute Analyse!
Vielen Dank für diesen Text.
P
Jürgen
Ich gehöre als Akademiker mit Ingenieursstelle wohl zu denen, die überdurchschnittlich viel Gehalt bekommen, sprich eigentlich zur Klientel der FDP. Und ja, damals als die FDP zum Kanzlermörder wurde, empfand ich das mit meinen 11 Jahren als Verrat. Das hätte mich aber nicht davon abgehalten, die FDP zu wählen, wenn ich denn deren Position teilen würde.
Tatsächlich aber hat die FDP sich ein Image aufgebaut exakt die Interessen der Reichen und Superreichen zu vertreten. Von denen gibt es aber wenige, und so ist nicht verwunderlich, wenn irgendwann auch nur noch die die FDP wählen. Eigentlich sinnvolle Deregulierung wurde immer dann gefordert, wenn sie erlaubte weniger gebildete, weniger gewitzte Bürger über den Tisch zu ziehen. Genau deshalb hat diese FDP noch nie eine Stimme von mir bekommen und sie wird auch keine bekommen, wenn sie sich nicht grundlegend ändert.
Ein Come-Back der FDP aber wird schwer werden: Die Erfahrung derer, die früher ihre Zweitstimme der FDP geliehen haben um die eigentlich favorisierte CDU in die Regierungsverantwortung zu bringen, lehrt nun: Wenn alle, die CDU wollen auch CDU wählen, dann braucht man die FDP als Mehrheitsbeschaffer gar nicht.
Ich sehe durchaus Platz und sogar hohen Bedarf für eine liberale Volkspartei; diese FDP entspricht solch einer Partei aber nicht. Vom Stammpersonal kann ich allenfalls noch Sabine Leutheusser-Schnarrenberger gelten lassen, die schon vor Jahren durch ihren Rücktritt nach dem Beschluß über den großen Lauschangriff Rückgrat bewiesen hat und auch in der vergangenen Legislaturperiode als einzige ehrliche Empörung über die Bespitzelungsaffäre gezeigt hat. Vielleicht wäre es eine gute Idee, wenn die FDP sich selbst auflöste und eine neue Partei mit neuem Namen und wahrhaftig liberalen Positionen gegründet würde.
Ich persönlich wünschte mir nun, das SPD und Grüne sich nicht gegeneinander ausspielen lassen und eine Koalition mit der CDU davon abhängig machen, daß Merkel nicht Kanzlerin wird. Eben jene Leutheusser-Schnarrenberger wäre dann eine gute Wahl für Deutschland und ein glänzender Kompromiss für eine Koalition.
michel birbæk
Guter Text! Danke!
Wie oben schon beschrieben, war das Abstimmverhalten im Bundestag sehr oft konträr zu den öffentlichen Standpunkten, dazu noch die unverhohlene Klientelpolitik usw. Dennoch denke ich, die FDP hat jetzt vor allem die Quittung fürs Personal bekommen, denn die Wahl wurde ja nicht über Themen, sondern über Personen geführt und entschieden – und da fiel die FDP sogar in dieser Umgebung negativ auf.
Bei jedem auswärtigen Westerwelleauftritt, schämte ich mich Deutscher zu sein. Dabei bin ich Däne. Dazu noch Rösler, Brüderle etc. Wer das dem Volk antut, muss mit Konsequenzen rechnen. Dennoch glaube ich nicht, dass wir sie los sind, denn fast hätten sie es trotzdem in den Bundestag geschafft. Die kommen wieder und dann geht die Arroganz von vorne los.
Der politischen Landschaft würden ein paar neue Parteien gut tun, aber man sah jetzt wieder sehr schön, wie schwer es die Neuen und Kleinen mit den Medien haben.
Und so bleibt alles beim Alten. Schade. Wieder eine Chance für Entwicklung verpasst.
Markus Väth
Eine Partei, die sich „liberal“ nennt, sollte begründen können, was denn „liberal“ für sie ist, wie sich dies zeigt und wie sie das umzusetzen gedenkt. Das konnte die FDP – leider – zu keinem Zeitpunkt leisten.
Liberalität zum Beispiel in Form individueller Freiheit ist heutzutage praktisch in allen anderen Parteiprogrammen ebenso eingepreist und kein Alleinstellungsmerkmal mehr. Die Fragen lauten: Freiheit wovon? Und: Freiheit wozu? Dies muss eine neue Generation von FDPlern klären. Falls sich die FDP im Nachwahl-Beben nicht selbst auflöst.
P.S.
Steuerpolitik macht man m.E. nicht, indem man hohe oder niedrige Sätze propagiert, sondern ihre Festsetzung rechtfertigend erklärt. Dies tut im Moment keine Partei in ausreichendem Maße.
Andreas Gleim
Einen Punkt, der diesen so genannten Liberalen nicht vergessen werden darf ist die Verteidigung – wen nicht sogar Unterstützung durch die Friedrich Naumann Stiftung – des Putsches gegen Zelaya in Honduras 2009. Und – wo wir schon dabei sind: Niebels Besuch in Paraguay vor 15 Monaten, wo ebenfalls gerade geputscht worden war.
Solche Liberalen sind keine Liberalen. Noch nicht einmal Demokraten.
Hannes
Guter Beitrag. Auch wenn es als Witz gedacht war: es verschwinden durch das FDP-Verschwinden keine Arbeitsplätze sondern diese werden unter den neuen MdBs aufgeteilt. Heißt natürlich nicht, dass es für jeden Mitarbeiter eine Anschlussverwendung im Bundestag gibt.
Hannes
Guter Beitrag. Auch wenn es als Witz gedacht war: es verschwinden durch das FDP-Verschwinden keine Arbeitsplätze sondern diese werden unter den neuen MdBs aufgeteilt. Heißt natürlich nicht, dass es für jeden Mitarbeiter eine Anschlussverwendung im Bundestag gibt.
Oberham
Sorry, wer für diese Partei gearbeitet hat, ist doch für die neoliberalen Marktmechanismen, für den dürfe es ein Leichtes sein, sich einer eigennutzenoptimierten Anschlussverwendung zuzuwenden!
Mir graut nur von den hochdotierten – zugeschanzten – Posten in den Ministerien, wo es eine wahre Inflation an jenseits des BAT vergüteten und bestens abgesicherten davon gab.
Diese Leute werden schwerlich dank ihrer Kompetenz weiter dort arbeiten dürfen, da sie wohl meist davon weniger vorweisen können als die Partei nun Prozente an Wählerstimmen gewann.
Hier wird uns die FDP noch sehr lange um den Hals hängen, aber sei es drum, ich wünsche vor allem jenen ein langes Leben, die keine lebenslangen, hohen Ansprüche haben, sondern nur hohe Übergangsgelder kassieren dürfen – und – das sind ja viele junge Extremperformer drunter, die Ruhestandsgelder gibt’s nicht schon mit 30 ;-)…. zumindest nicht für MdB´s und Minister (oder hat man da inzwischen auch schon vorgesorgt…. – da wird ja ständig gedreht – schwer auf dem aktuellen Stand zu bleiben)
Nein, mein Mitleid heb ich mir für jene Menschen auf, die um 5 Uhr Morgens aufstehen und um 22:00 nach dem dritten Minijob des Tages todmüde ins Bett fallen, dabei meist kaum mehr als fünf Euro die Stunde erhalten und dann noch bei Miete, Versicherungen etc. abgezockt werden – nur – die wählen leider teils auch die Union oder die SPD Grüne – und die sind nicht wirklich weniger schlimm als die FDP!
Wenn jetzt einer schreibt die LINKE auch nicht – hm – ich hätte keine Argumente, mit denen ich ihn widerlegen könnte.
Ergo?
T-o_m
„Das Missmanagement der FDP-Spitze kostet immerhin mehrere hundert Arbeitsplätze.“
Ach, den Leuten passiert ja nichts schlimmes. Mit Hartz4 hält bekanntermaßen die „spätrömische Dekadenz“ Einzug…
teekay
Ob viele Wähler wirklich so ein Langzeitgedächnis haben sei mal dahin gestellt. Die FDP liegt traditionell bei etwa 5%-und der eigentlich ‚Ausrutscher‘ war bei der Wahl 2009. Natuerlich sind 4,X% wie ein vierter Platz bei Olympischen Spielen, aber die ca.5% der Wähler die die FDP wichtig finden gibt es ja noch. Es wird halt immer so getan, als sei die FDP eine staatstragende ‚Volkspartei‘. Gut möglich, dass es bei den nächsten Wahlen 5,1% gibt und dann können wir wochenlang ‚Phönix aus der Asche‘ Berichte lesen-irgendwie muss man die Webseiten ja fuellen. Sicherlich ist der Sprung ueber die 5% am Fuehrungspersonal gescheitert. Bei der Auflistung im Bericht fehlt Niebel der als entwicklungspolitischer Elefant gut im Porzellanladen gewuetet hat. Man muss also weder hämisch sein, noch Bestuerzung zeigen. Die FDP wird auch in der Zukunft mit der 5%-Marke kämpfen und dann ist auch gut.
Radbert Grimmig
Vergessen wir auch nicht, dass dreisteste Lügen bei der FDP (nicht erst) in diesem Wahlkampf zum guten Ton gehören.
Sie machte Werbung mit zahlreichen Plakaten für Positionen, bei denen die sie in der letzten Legislaturperiode im Bundestag für das exakte Gegenteil abgestimmt hat.
Zum Beispiel:
Doppelte Staatsbürgerschaft – Plakat: „2 Sprachen. 2 Kulturen. 2 Pässe“ => Abstimmung im BT am 5.06.2013 – 86 von 93 FDP-Abgeordneten GEGEN Streichung des Optionszwangs aus dem Staatszugehörigkeitsrecht
Gleichgeschlechtliche Lebenspartnerschaften:
Plakat „Ehe für alle. Egal wer wen liebt – alle verdienen die gleichen Rechte.“
Abstimmung am 28.06.2012 Eheschließungsgesetz für gleichgeschlechtliche Personen – von 85 von 93 FDP-Abgeordneten abgelehnt.
Transparenz bei Nebeneinkünften / Datenschutz
Plakat: „Politik muss transparent sein, nicht ihre Festplatte“
=> Abstimmung über den entsprechenden Antrag am 8.11.2012 => von 82 FDP-Abgeordneten abgelehnt (von 93 insgesamt)
=> Gesetz zur Bestandsdatenauskunft federführend initiiert.
In Zeiten, in denen Schnappschüsse der entsprechenden Plakate ruckzuck mit Übersichtsgrafiken des entsprechenden Abstimmungsverhaltens versehen und viral in allen Social Networks verbreitet werden, kann man solche eine Orwell’sche Geschichtsklitterung einfach nicht mehr bringen. Das Netz erzwingt hier Transparenz. (Und die Schwarz-Gelbe Forderung nach immer mehr Überwachung sowie das Leugnen des NSA-Skandals grenzt darum meiner Meinung nach an Staatsterrorismus, aber das nur nebenbei.)
david
Für mich war die Partei tatsächlich nach der Hotel-MwSt-Sache durch – so eine dumme, plumpe und sinnlose Aktion.
Und ic war früher Mitglied bei den Jungen Liberalen, weil ich den Kern des Liberalismus als wertvoll ansah…
Oskar
Ist richtig, was hier geschrieben wird.
Aber eins kann man auch sagen; in den Medien und den TV-Talks wurde dieses Thema sowohl mit der 2. Stimme als auch mit Nutzlosigkeit dieser Partei in einem hohen Grade
propagiert.
Man hat dieses Mal die Partei wirklich weggeredet.
Das spricht natürlich auch ein wenig für die mangelnde Qualität und das
fehlende Niveau der Partei, sonst wäre dieser einmalige Vorgang nicht möglich
gewesen.
Der Wiederaufbau ist schwer. Aber für mich gehört eine Liberale Partei in eine Demokratie; sie muss aber dann auch diese Werte in erster Linie vertreten.
Das hat die Partei in der Tat versäumt.
Thomas S.
Dass sie ihr Steuerversprechen von 2009 nicht einhalten konnten, wird auch von anderen Analysten (hauptsächlich solchen, die der FDP nahe stehen) als Begründung angeführt. Das ist aber nicht der Punkt. Vielmehr wird bereits die Willensbekundung, in Zeiten knapper Kassen Steuern senken zu wollen, als offenkundiger Populismus empfunden. Zumal es dabei immer (!) in erster Linie um eine Entlastung der ohnehin schon Wohlhabenden geht, bei gleichzeitiger Schwächung des Sozialstaates, dem anschließend das Geld fehlt.
Henning
Ich glaube, dass das Steuergeschenk für Hoteliers und die Günstlingswirtschaft im Entwicklungshilfeministerium eine größere Rolle spielt als das leere „mehr Netto“-Versprechen. Diese zeigen nämlich die häßliche Fratze des Neoliberalismus besonders deutlich: Wasser predigen und Wein trinken.
Marco Sanchez
Ich mag diesen ewigen Hinweis auf „Steuergeschenke für Hoteliers“ nicht mehr hören.
Denn die Reduzierung der MWST auf 7 % betraf auch mich als kleinen Vermieter einer Ferienwohnung und ich bin der FDP sehr dankbar.
Mit der MWST auf 19 % verliere ich entweder Gäste oder ich werde in die Schattenwirtschaft gezwungen.
Kai Lewendoski
Ich denke auch, dass seit 1982 die FDP eine untote Partei ist, die nur durch ständige Zweitstimmen-Infusionen der CDU am Leben gehalten wurde. In einer Koalition mit der SPD konnte die FDP einiges beitragen, mit der CDU ging’s nur darum, das zu vollstrecken, was die schwarzen sowieso auch wollten. Die ganzen liberalen Elemente sind ausgemerzt worden.
Andreas Gradert
Gut geschrieben. Kommentar siehe FB.
Jan Eustergerling
Interessanter Artikel. Mir fällt noch ein weiterer Punkt ein: bei der doppelten Staatsbürgerschaft, gegen die Roland Koch seine unsägliche Kampagne führte, hat die FDP im Konsens mit den Konservativen dagegen gestimmt. Und als dann Guido Westerwelle Politik mit konservativem Populismus fortführte und gerne auf Arbeitslosen und Wenigverdinern eindrosch. „Das wird man ja wohl noch mal sagen dürfen … “ ist das Zitat, bei dem ich mich rückblickend immer noch übergeben möchte.
Dieses FDP hat klar gemacht, dsa sie Menschen nur über ihr Einkommen definiert. Die Jahrelange Kampagne für die „Leistungsträger“ der Gesellschaft spricht Bände.
A. Bottländer
Ohne Schadenfreude zu empfinden. Nun kann diese Partei doch endlich ihr liberales Selbstvertändnis und Verantwortungsbewußtsein im Umgang mit ihren ca. 500 Mitarbeitern zeigen. Wer arbeislos wird, ist selbst schuld, seine Leistung ist nicht ausreichend!
Ob Frau Merkel sich hilfreich zeigt, wie damals Johannes Rau, als er Gerhard Baum half, dieses FDP-Problem in NRW zu bewältigen?
Daniel
Eine sehr treffende Analyse. Dass sich die FDP z.B. in puncto Prism und NSA so sehr zurückgehalten hat, erschließt sich mir nicht.
tina
Sich den Autokorso zu verkneifen fällt schwer, erinnert man sich an die Arroganz der Protagonisten, wenn es um die Arbeitsplätze, den Lohn und die Arbeitsbedingungen anderer, nämlich der kleinen Leute ging.
Natürlich sind viele Politiker da nicht minder hochnäsig und weltfremd.
Die FDP hat nur das Pech, bei der Kommunikation darüber immer und überall das Einfühlungsvermögen eines heranrasenden Güterzuges durchblicken zu lassen.
Die Häme und der Hass kommt jetzt in gleicher Weise zurück. Weil es (in vieler Augen ENDLICH) auch einmal jemanden trifft, der sich über die Jahre doch sehr sicher auf seinem hohen Ross gefühlt hat. Das ist bitter für die FDP-Leute.
Aber resultiert eben aus dem alten Sprichwort: Wie man in den Wald hineinruft….
netz-tv
Ausgezeichnete Analyse. Da braucht es so Kleinkram wie Hoteliers- oder apotheker-Klientel-privilegien gar nicht mehr um es nachzuvollziehen.